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Bernd Rittergestorben am 16. April 2021

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„Ey Friesi, ditt is keen Jägermeister, ditt is Mümmelmann!“

Ich bin nicht gut darin klassische Beileidsbekundungen zu formulieren, geschweige denn Karten zu senden oder Blumen zu kaufen. Ich bin mir auch sicher, dass ihr mich gut genug kennt, um zu wissen das ich das anders mache, dass ich dennoch teilhabe, mit Euch trauere. Wenn jemand gehen muss, ist das Scheiße, hat eine Freundin von mir mal gesagt, vor allem für die, die bleiben müssen. Die haben dann nur noch die Erinnerung. Daran erinnere ich mich:
Eichwalde im Frühjahr 1998. Ich hatte schreckliche Bauchschmerzen. Ich kannte Bernd Ritter jetzt seit gut einem Jahr. Seinen ältesten Sohn Björn kannte ich etwas länger. Wir hatten bereits im Spätsommer 1996, zu Beginn der Kochausbildung, Freundschaft geschlossen. Im selben Restaurant haben wir nicht gelernt, aber im selben Ort: Varel. Oder wie Bernd es trotz Wissens zu gern aussprach: Warell.
Nur gemeinsam die Berufsschulbank drücken zu müssen stand unter einem sehr guten Stern. So hatten wir hier und da mal am selben Tag frei oder gar zeitgleich Urlaub. Björn durfte schon bald alle meine Freunde kennenlernen, unter denen der Zuwachs an Fahrerlaubnissen rapide nach oben schnellte und die Möglichkeiten nun unendlich zu werden schienen, zumindest solange das Azubigehalt ausgereicht hat. Neben etlichen Tagestouren zu Skatepunkkonzerten in ganz Nord-Westdeutschland, war es mir Ostern 1997 möglich Björns gesamte Familie zu treffen.
Alles was ich schlussendlich für eine Woche Ferienhaus incl. Solariumzimmer an der Ostsee zu tun hatte, war den Ältesten sicher und gesund von Friesland über den Kieler Fährhafen bis an die nördlichste Spitze der dänischen Insel Langeland zu fahren; Björn musste sich mit dem selbst Fahren schließlich noch bis kurz vor Weihnachten gedulden. Ich habe also hier schon das Vertrauen von Bernd und Tina genossen. Was für Vorschusslorbeeren. Merken! Das wird noch wichtig.
Ich habe damals so gut wie gar keinen Alkohol getrunken, trotzdem erinnere ich mich kaum an diesen Urlaub. Den übergroßen Fischerhut, den ich im örtlichen Anglerbedarfsgeschäft gekauft habe, den schon diverse Mitbewohner und auch Partnerinnen entsorgen oder gar zerstören wollten, besitze ich heute noch. Dieses Anglerbedarfsgeschäft habe ich mit den Rittermännern besucht. Zumindest damals waren sie begeisterte Angler. Ich weiß nicht ob sie gut darin waren, aber ich meine Bernd sagen gehört zu haben: „Wir jehn heute Nacht uff Dorsch!“ Ich habe sie als echte Experten wahrgenommen. Alle drei.
Die Angelnacht war sternenklar. Ich habe mich am Steinstrand zwischen ein paar größeren und kleineren Steinen eingebettet, in den Himmel gestarrt, vermutlich an ein Mädchen gedacht und den kalten Wind genossen. Die Genossen Angelrute sind übrigens ziemlich leer ausgegangen. Ich fand das völlig okay, ich war entspannt.
Neben dem Hut haben auch einige Fotos die Zeit überstanden – leider habe ich kein einziges von Bernd und / oder Tina – und diese zeigen einen Springbrunnen aus Gartenschlauch und Dorschkarkassen von gekauften Fischen. Ich erinnere mich nicht mehr an das Frustrationslevel der drei Angelsportler, aber es muss hoch gewesen sein. Sich im Anglerparadies die Blöße zu geben und drei Fische am Markt zu kaufen, muss sehr zermürbend gewesen sein. Geschmeckt haben die Filets dennoch.
Aber zurück nach Eichwalde im Frühjahr 1998, damals noch im Elternhaus, in der Grenzstraße. Vor Bauchschmerzen und elendem Völlegefühl krümmte ich mich irgendwie zwischen Sofa und Fußboden. Was war passiert? Für uns zwei Kochazubis hatte die Uhr bereits Viertel vor – bzw. Dreiviertel, aber davon habe ich damals noch nichts verstanden – Zwischenprüfung geschlagen. Im Gegensatz zu meinen, waren Björns Eltern weit weniger eitel was die heimische Küche anging und so wurde uns angehenden kulinarischen Vollprofis diese für einen Tag anvertraut. Ich sagte bereits, die Vorschusslorbeeren vom Vorjahr werden noch wichtig. Wir hatten wieder zusammen Urlaub. Dieses Mal sollte es Björns Heimat sein und dieses Mal saß er selbst am Steuer. War besser so. Er kannte die Schlaglöcher in Eichwalde in und auswendig und der Polo war vorne tiefer gelegt.
Dies war nicht nur mein erster Besuch in Eichwalde, zum ersten Mal war ich auch in Berlin. Sightseeing und berühmt berüchtigter Kreuzberger Plattenladen standen auf der Agenda. Die Platte und die CD die ich gekauft habe, besitze ich wie den Hut aus Dänemark bis heute.
Am Tag nach der Shopping Tour saß Björn am Familiencomputer und daddelte Anno 1488 und ich habe irgendwie diese LP abgespielt als Tina sagte, dass sie zum Bäckerfahren würde und ob jemand ein Stück Kuchen möchte? Ich musste lachen als Bernd sagte: „Ick nehm zwee Fannkuchen!“ Pfannkuchen zu wünschen, wenn jemand zum Bäcker geht, das musste so ein Witz gewesen sein, so eine Art Ehepaarinterna. Ein gesagtes Wort oder ein ganzer Satz, bedeuten also was anderes als das Gesagte, etwas, das nur diese beiden wissen können. Eine Geheimsprache, deren Inhalt in diesem speziellen Fall bedeutet haben musste: „Nein Danke Schatz, ich möchte nichts.“ Aufgeklärt wurde ich etwa dreißig Minuten später, als wir Kaffee tranken und Bernd zwei Gebäckstücke vorgesetzt bekam, die selbst ich heute nicht mehr Berliner nenne.
Die Erinnerung, welchen Kuchen oder ob ich überhaupt Kuchen hatte ist nicht mehr da, dass die Bauchschmerzen da definitiv nicht her kamen schon. Das lag an unserem Tag in der Küche. 1998, drei Gänge, Zwischenprüfungsmenü: Blumenkohlcremesuppe, Rinderroulade mit Kartoffeln und Rotkohl, irgendeine fettige Cremespeise mit irgendeiner zuckersüßen Sauce. Endlos überfressen. Wie vorweggenommen waren wir ja auf dem Weg wahre Profis zu werden. Geschmack konnten wir scheinbar schon, Mengen kalkulieren meiner Erinnerung nach nicht.
Da konnte nur noch Schnaps helfen, wussten Bernd und Tina. Auch wenn ich immer noch kein großer Trinker war, die grüne kantige Glasflasche, die kannte ich. Das konnte nur Jägermeister sein, zumindest muss ich irgendwas in diese Richtung verlautbart haben. Ich weiß nicht ob ich bereits bei meinem Pfannkuchen-Fauxpas so genannt wurde, oder schon mein Bekenntnis die Uhr nur norddeutsch sprechen zu können dazu führte, ab hier ist mir mein Berlinerischer Spitzname definitiv fest im Gedächtnis verankert: „Ey Friesi, ditt is keen Jägermeister, ditt is Mümmelmann!“ Passen würde es in allen Situationen: „Ey Friesi, ditt is nich Viertel vor, ditt is Dreiviertel Zwischenprüfung.“ „Ey Friesi, ditt is keen Berliner, ditt is n Fannkuchen!“
Die Küche habe ich glaube ich auch nach dem Schluck Mümmelmann nicht mehr aufräumen können. Trotzdem durfte ich immer wieder Gast sein.

Mein herzliches Beileid
Euer Friesi | Daniel
P.S.: Die Uhr kann ich mittlerweile richtig.